Modeerscheinung Sternenkind.

Mittwoch, 12. April 2017



"Weißt du, ich muss dir da etwas sagen..." - "Oh, ich weiß, ich habe auch ein Sternenkind!"

So oder so ähnlich laufen momentan scheinbar sehr viele Gespräche ab. Nicht mal unbedingt direkt mit mir, nicht mal unbedingt face-to-face, sondern viel lieber ganz anonym im Schutze des world wide webs.

Es erschreckt mich, wie viele Frauen mittlerweile Sternenmamas sind und wenn ich ehrlich bin, kann ich mich aktuell nicht entscheiden, ob ich einigen noch glauben kann. Ob einige dieser Frauen wirklich ihr Kind bzw. ihre Kinder verloren haben oder ob sie es nur vorgeben, um Ansehen und Beistand in sozialen Netzwerken abzustauben.

Natürlich möchte ich mir nicht anmaßen, jemandem so etwas zu unterstellen, aber leider zeigt die Erfahrung, dass es Menschen jeder Art gibt - auch Menschen, die sich Schicksalsschläge ausdenken.
Vielleicht haben auch einfach nur viele Sternenmamas erst durch das Internet den Mut gefunden, offen über ihren Verlust reden zu können und deswegen kommt es mir so vor, als seien Sternenkinder eine romantisierte Modeerscheinung. Ich weiß es nicht.

Vor einigen Wochen (oder Monaten) machten mich ein paar der Instagram-Mamis in meinem Feed darauf aufmerksam, dass es unter uns wohl eine Frau gäbe, die ihr komplettes Schicksal schlichtweg erlogen hätte. Bilder seien offenbar Fake, Rechnungen würden nicht ganz aufgehen und man würde sich immer wieder in Ausreden und Lügen flüchten, sobald man drauf angesprochen wurde.

Um ehrlich zu sein machte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht viele Gedanken darüber und hoffte einfach, man würde mich mit diesen Vorwürfen nicht auch konfrontieren.
Seit ich auf Instagram offen über meinen Sohn rede, habe ich aus irgendeinem Grund Angst davor, dass mir irgendjemand nicht glauben könnte. Wir haben von Anfang an viel Mist durchmachen müssen und haben keinerlei Erinnerungen an unseren Stern bei uns.

Die Erfahrung zeigte mir bisher immer - was du nicht beweisen kannst, das ist nicht passiert. Und ausser Nachsorge-Termine bei der Frauenärztin und das Rezept der in meinem Fall missglückten aber trotzdem berühmten "Pille danach", gibt es nichts greifbares, nichts womit ich die Chance hätte, meinem Kind ein Gesicht zu geben.
Aus diesem Grund und vermutlich auch deswegen, dass ich mir in schlimmen Tagen nicht mal selbst eingestehen wollte, was passiert war, fühle ich mich ab und an selbst unglaubwürdig.

Doch ich war nicht gemeint. Es handelte sich tatsächlich um eine Frau, deren Geschichte von vorn bis hinten unglaubwürdig klang. Einige Zeit danach hatte ich selbst das "Vergnügen", einen Jemanden im Internet kennen zu lernen, dessen Geschichte unglaubwürdig und an den Haaren herbei gezogen klang.

Lange habe ich darüber nachgedacht, wie ich diese Geschichte beurteilen sollte. Es ist schon lange kein Geheimnis mehr - Fehlgeburten und stille Geburten sind die neuen Ed Hardy Shirts der Gesellschaft und aus irgendeinem Grund lässt sich mit "Trauerverarbeitung" und "Aufklärung" momentan Aufmerksameit in Massen anschaffen.

Im Endeffekt habe ich für mich beschlossen, dass ich niemanden verurteilen werde, nur weil dessen Geschichte unglaubwürdig klingt. Natürlich denke ich mir auf der einen Seite, dass es niemanden auf dieser Welt wirklich geben kann, der ein solches Thema so sehr ausschlachten und sich so viel ausdenken würde, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen..
 Schliesslich trifft man auch keine Menschen auf der Straße, die sich selbst Krebs oder AIDS andichten und sich mit tödlichen Krankheiten schmücken würden. Menschen, die über ihre verstorbenen Kinder berichten, die haben in meinen Augen einen riesen großen Teil ihres Lebens verloren.
Andererseits gibt es überall schwarze Schafe. Und auch, wenn erlogene Geschichten uns als Sternenmamas schrecklich sehr verletzen, denke ich, sollten wir uns immer wieder vor Augen halten:
Menschen, die über ihre verstorbenen Kinder berichten, egal ob wahr oder gelogen, die haben in meinen Augen einen riesen großen Teil ihres Lebens verloren.
Wir mögen nicht wissen, was sie dazu bewegt hat, Lügen zu verbreiten, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass es sich um bemitleidenswerte Menschen handelt, denen Hass nur die Aufmerksamkeit bringt, die sie sich so sehr erhoffen.
Und die vermutlich in ihrer aktuellen Situation sehr auf Aufmerksamkeit angewiesen sind.

Trotz allem möchte ich genau an diese Menschen appellieren:
Bitte, tut das nicht. Wenn ihr den Schmerz nicht selbst nachvollziehen könnt, spinnt euch keine Lügengeschichten zusammen, tut nicht so, als könntet ihr's. Als hättet ihr selbst eure Kinder tot zur Welt bringen müssen, denn das habt ihr nicht. Denn euer Verhalten verletzt Menschen, die diesen Schmerz Tag für Tag durchleben müssen.

Man macht sich nicht interessant damit, zu erzählen, dass man ein Kind verloren hat. Das ist nichts, was "in" ist, das ist nichts, was euch auf romantische Art und Weise zerbrechlich und schön macht.
Ein Kind zu verlieren ist das schlimmste, was jemandem je passieren kann.
Wie glücklich machen euch Aufmerksamkeit und liebe Worte zu einem Thema, das euch nie betroffen hat?

Die schwerste aller Sprachen ist Klartext.

Mein Leben mit ohne Noah- keine Modeerscheinung und trotzdem immer bei mir. ♥

4 Kommentare:

  1. Ich stelle mir das so schlimm vor - schön wie offen du mit dem Thema umgehst hier!

    Liebst,
    Andrea


    Gewinnspiel: Augenpflege von Dermalogica

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  2. Wow, ich finde es auch toll, dass du so offen darüber redest, du machst bestimmt vielen Menschen Mut und es anderen leichter mit solchen Menschen umzugehen.
    Das mit dem ganzen "MedienAufmerksamkeit suchen" finde ich auch schrecklich. Es muss sehr schwer sein sich solche Lügengeschichten anzuhören wenn man dabei selbst wirklich verletzt ist.
    Ich selbst habe nicht wirklich eine Ahnung davon wie schlimm es sein muss ein Kind zu verlieren, aber ich wünsche dir noch Alles Gute und ich finde es mega toll dass du einen Blog schreibst!
    Liebe Grüße Jenny

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    1. Vielen Dank für deine lieben Worte! ♥
      Es ist oft schlimm und fast schon beleidigend, wenn man solche Lügengeschichten hören muss. Ich weiß nicht, warum einige Menschen sowas tun und was es ihnen bringt, leider kann man jemandem immer nur vor den Kopf gucken..

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