Wie der Tod meiner Schwester mich zu einem besseren Menschen machte.

Samstag, 29. Juli 2017



Chester Benningtons Tod hat auch mich sehr mitgenommen. Mehr, als ich es mir vielleicht eingestehen will und mehr, als vielleicht "normal" wäre.
In den letzten Tagen habe ich viel darüber nachdenken müssen.
Nein, ich kannte Chester nicht. Aber man muss einen Menschen auch nicht persönlich kennen, um gewisse Charakterzüge beobachten zu können und um mit Sicherheit behaupten zu können, dass dieser Mensch mehr als verzweifelt gewesen sein muss, um sich das Leben im Haus seiner Familie zu nehmen. Bei ihm wurde die Familie nicht nur groß geschrieben, er lebte für seine Familie.
Diese Verzweiflung, die so groß gewesen sein muss, dass er nicht mal mehr an seine Familie denken konnte, schmerzt mich sehr.

Ich denke also nach. Darüber, wie es sein muss, den Kampf gegen seine eigenen Dämonen komplett verloren zu haben.

Bisher dachte ich immer, ich wäre selbst schon oft an diesem Punkt angelangt. Fakt ist, dass ich erst ein mal selbst ähnlich verzweifelt war, mich der Gedanke an Freunde und Familie aber dann doch wachgerüttelt hat. Ähnlich wie bei meiner Schwester.

Sarah war ebenfalls an diesem Punkt, hatte Probleme mit sich, mit anderen, mit der Welt.
Es gab oft Momente in ihrem Leben, in denen sie einfach nicht mehr wollte, nicht mehr konnte.
Bis zu ihrer Krankheit.
Denn wenn man physisch krank wird und weiß, man wird in naher Zukunft definitiv sterben, dann merkt man erst, wie wertvoll das eigene Leben letztendlich doch ist. So stelle ich es mir jedenfalls vor.
Trotz herber Rückschläge, die ihr immer und immer wieder den Lebenswillen genommen haben, gab es schlussendlich wohl niemanden, der mehr um sein Leben gekämpft hat, als meine große Schwester.

Wenn man krank ist, fallen einem plötzlich so viele Dinge ein, die man noch erleben will, die man noch sehen will und die man einfach vorher hätte machen sollen.
An diesen Punkt möchte ich nicht geraten.
Auch, wenn ich im Endeffekt gerade nichts habe, viel verloren habe und viele Dinge einfach nicht möglich sind, möchte ich, dass andere Menschen ihre Träume verwirklichen können.

Diese Erkenntnis habe ich trauriger Weise erst, seit Sarah tot ist.
Vorher war die Angst einfach zu groß, anderen Leuten zu helfen. Blut, Knochenmark oder Stammzellen zu spenden war für mich nie ein Thema. Das Unbehagen gegenüber Krankenhäusern und Nadeln war einfach zu groß.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich nie daran gedacht, fremden Menschen zu helfen, weil ich mir immer vorkam, als wäre ich diejenige, der man helfen müsste.

Jetzt, wo ich sehen musste, dass meine Schwester um ihr Leben gekämpft und verloren hat, weiß ich, es gibt Menschen, die brauchen kein Geld, keine teuren Hobbies und keine Ausflüge.
Es gibt Menschen, die ein Leben brauchen. Das Leben, das wir viel zu oft als selbstverständlich wahrnehmen.

Es gibt so viele Menschen, die an tödlichen Krankheiten leiden und entweder durch das Versagen ihres Körpers oder durch den Krieg mit ihren inneren Dämonen sterben müssen.

Chester hatte alles. Er hatte Geld, Freunde, Familie. Und trotzdem musste er sterben.

Ich habe kein Geld, das ich spenden kann und ich habe selbst viele schwerwiegende Probleme.
Aber hält mich das davon ab, ein guter Mensch zu sein und anderen zu helfen?
Nein.

Ich habe mich bei der DKMS registriert, um Leben zu retten.
Es ist mir egal, wie oft man mir dafür Nadeln in den Arm stechen muss, solange andere Menschen durch mich die Chance auf ein neues Leben haben.

Am 21. August werde ich das erste mal in meinem Leben Blut spenden.
Erst am Donnerstag habe ich freiwillig ein Blutbild beim Arzt erstellen lassen, um zu wissen, ob ich ohne Probleme Blut spenden kann. Meine Werte sind perfekt, mein Blut regeneriert sich nach der Spende und somit habe ich nichts verloren.

Ich bin Organspender.

Ich lege Flyer zur Aufklärung über Gebärmutterhalskrebs und HPV bei meinem Arzt aus.

Ich unterstütze die Kampagne Always Keep Fighting.

Ich sammle Kleidung, die ich an das nahegelegene Hospiz spenden werde,
ebenso wie ich Handtücher, Decken und Kuscheltiere für das Tierheim in der Nähe sammle.

Man muss nicht viel Geld haben, um Gutes zu tun und auf Probleme aufmerksam zu machen.
Man braucht nicht viel, um anderen zu helfen und um ihnen ein kleines Lächeln in's Gesicht zu zaubern.

Es ist egal, ob du Hunden und Katzen ein Spielzeug überlässt
oder ob du Menschen ein neues Leben schenkst.
Es ist nur wichtig, dass du das Leben wertschätzt und gutes tust, am besten jeden Tag.

Ich war früher ein sehr verschwenderischer Mensch und habe alte Kuscheltiere lieber weggeworfen, als eine Verwendung dafür zu finden. Das tu ich nicht mehr. Es gibt Lebewesen, die auf Dinge angewiesen sind, die wir Tag für Tag wegwerfen oder als selbstverständlich ansehen.

Es tut mir weh, zu sehen, dass der Tod meiner Schwester mir erst die Augen öffnen konnte.
Aber so nehme ich wenigstens etwas anderes mit, als den ganzen Schmerz, der mich sonst begleitet.



Seid gute Menschen. Helft, wo Hilfe benötigt wird.
Verliert nicht erst jemanden, um das zu verstehen.


If they say
Who cares if one more light goes out?
In the sky of a million stars
It flickers, flickers
Who cares when someone's time runs out?
If a moment is all we are
Or quicker, quicker
Who cares if one more light goes out?
Well I do.

Mein Leben mit ohne Sarah - Nicht in meiner Nähe und trotzdem immer bei mir. ♥

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